Mit einem hellen Surren schwebt die Spezialdrohne über den Köpfen von Benedikt Küper und Lennard Leupold, um gleich darauf senkrecht in die Luft zu sausen – 10 Meter, 20 Meter – bald ist das Fluggerät nur noch ein kleiner Punkt am Himmel über der Ruhr im Bochumer Süden. Hier, am Eingang zur ehemaligen Kleinzeche „Vereinigte Pfingstblume“, testen die beiden Schüler vom Hattinger Gymnasium Holthausen ihre Flugkünste. Alles für die Forschung. Benedikt und Lennard sind nämlich auf einer besonderen Mission: Für den Regionalwettbewerb von „Jugend forscht“ wollen sie Luftbilder von dem einstigen Bergbaugebiet auswerten und so mehr über die Geologie des Untergrundes erfahren.
Fachkundig unterstützt werden die 17-Jährigen dabei von Prof. Dr. Tobias Rudolph und seinem Team. Der Geomonitoring-Experte vom Research Center of Post-Mining der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) in Bochum kennt sich aus mit den Umwelteinflüssen, die der teils jahrhundertelange Kohleabbau in der Region hinterlassen hat. Schon seit 1856 wurde hier gegraben. „An Stellen wie diesen liegen die alten Stollen und Strecken oftmals nur wenige Meter unter der Erde“, erklärt Prof. Rudolph. „Zusätzlich wirken sich Wasser- und Gebirgsdruck auf die Statik aus. Diese Bereiche müssen daher ständig kontrolliert und auf ihre Standsicherheit hin überprüft werden.“ Die Drohnen ermöglichen es den Wissenschaftlern mit speziellen Kameras von oben auf die Tagesoberfläche zu gucken, um so zu verstehen, was darunter passiert.
Für ‚Jugend forscht‘ unter und über Tage unterwegs (v.l.n.r.): Schüler Benedikt Küper, Andreas Koschare (RAG AG), Prof. Dr. Tobias Rudolph (THGA) und Schüler Lennard Leupold.
„Wir wollten den Bergbau einmal anders betrachten“, sagt Benedikt Küper. „Im Unterricht beschäftigen wir uns mit Interviews von alten Bergleuten oder erfahren in Filmen, wie es früher war. Auch mein Opa hat unter Tage gearbeitet – der persönliche Bezug ist also da. Doch jetzt wollen wir in unserem Projekt zeigen, welche Einflüsse der Bergbau auch heute noch hat.“ Ihre Erkenntnisse stellen die Oberstufenschüler im Februar bei „Jugend forscht“ vor. Auch einen Projektbericht und ein Poster müssen Benedikt und Lennard einreichen.
So viel Eigeninitiative kurz vor dem Abitur? Na klar, sagen die Zwölftklässler: „Sonst bestimmen immer die Lehrer den Stoff. In unserem Projekt können wir kreativ werden und selbst forschen“, meint Lennard Leupold. „Außerdem haben wir die Möglichkeit, unser gelerntes Wissen praktisch anzuwenden, direkt bei uns in der Nähe.“ Gerade einmal 2800 Meter Luftlinie sind es vom Gymnasium in Holthausen bis zum ‚Mundloch‘, dem Stolleneingang der Pfingstblume.
Wenn die Drohne ihre Pflichtrunden über dem Gelände gedreht hat, bringt sie jede Menge Daten hinunter zu den Nachwuchswissenschaftlern. Aus rund 500 Einzelbildern entsteht nach und nach ein großes Luftbild mit vielen Informationen. „Bei der Auswertung und Interpretation unterstützen wir die Schüler natürlich“, sagt Prof. Rudolph vom Forschungszentrum Nachbergbau. Auch thermale Aufnahmen und sogenannte „Falschfarbenbilder“ zeichnet die Drohne auf. „Damit können wir z. B. schon sehr frühzeitig Vegetationsdefekte erfassen, also Umweltveränderungen, die wir anhand der Blattfarbe von Pflanzen ermitteln. Eine spezielle Kamera mit einem anderen Lichtwellenspektrum macht das möglich.“
Die Bilder werden schließlich in Google-Earth eingepflegt und können somit koordinatengetreu verortet werden. „Gemeinsam mit den Schülern vergleichen wir die neuen Werte mit historischen Karten, die zum Teil noch aus dem 19. Jahrhundert stammen und daher oftmals nur sehr ungenau sind. Manchmal kommt es sogar vor, dass nicht einmal alle Ein- und Ausgänge korrekt verzeichnet sind“, sagt der Experte. „Hier können wir bei der Dokumentation helfen.“ Spannende Einblick für Benedikt und Lennard – denn auch eine kleine Grubenfahrt, also eine Begehung des alten Hauptstollens, gehört zu der wissenschaftlichen Expedition für „Jugend forscht“.
Im Innern der Pfingstblume ist es dunkel, feucht und ziemlich beengt, doch Benedikt und Lennard sind begeistert von dem „lost place“ in der Nachbarschaft: Näher werden sie der Arbeitswelt des Großvaters wohl nicht mehr kommen. Benedikt interessiert sich für Webdesign und will später einmal im Bereich IT-Sicherheit arbeiten. Lennard will nach dem Abitur voraussichtlich Biologie studieren und kann sich eine Laufbahn in der Pharmaindustrie vorstellen. Ihr Engagement und Wissensdurst sind die besten Voraussetzungen dafür.
So sieht es aus, wenn die Spezialdrohne des FZN thermalauflösende Aufnahmen macht. Besonders spannend: Nicht nur die handelnden Akteure auf dem Bild geben ordentlich Wärme ab, sondern auch das ausströmende Grubenwasser am Stollen-Mundloch (©Benjamin Haske/FZN).
„Jugend forscht“ gilt als der bekannteste Schüler- und Jugendwettbewerb in den Bereichen Naturwissenschaften und Technik in Deutschland. Er wurde 1965 vom damaligen Stern-Chefredakteur Henri Nannen initiiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bearbeiten Projekte zu selbst gewählten Fragen aus dem MINT-Bereich und präsentieren sie der Wettbewerbsjury. Nach Regionalwettbewerben in Marl oder Dortmund, findet das Landesturnier und schließlich der Bundeswettbewerb statt. Das Gymnasium Holthausen beteiligt sich schon seit 2006 regelmäßig an „Jugend forscht“. Dieses Mal sind wieder rund 30 Schülerinnen und Schüler aus Hattingen vertreten. Die THGA unterstützt Vorhaben wie diese mit ihrem hochschuleigenen Programm „PepperMINT“, das digitale Unterstützungskurse und Förderung in den MINT-Fächern bietet.
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