Der Werkstofftechniker erforscht, wie sich Rost ausbreitet und Kunststoff altert. Seine Erkenntnisse dienen unter anderem der Konservierung von Zeugnissen der Industriekultur wie Fördergerüste oder Hochöfen, aber auch der Entwicklung neuartiger Kunststoffe.
Das Ruhrgebiet ist voll von Zeugnissen der industriellen Revolution. Kann man die alle aufbewahren?
Prof. Michael Prange: Jede Hinterlassenschaft stiftet auf ihre Art Identität. Die Industriekultur des Ruhrgebiets hat zudem nationale Bedeutung. Deshalb muss diese Frage vor allem von den Geisteswissenschaften bewertet und beantwortet werden. Aus materialwissenschaftlicher Sicht muss ich die Frage mit Nein beantworten. Man kann nicht alles bewahren. Das hat sowohl finanzielle als auch konservatorische Gründe. Die Kosten zur Rettung können den ideellen Wert durchaus übersteigen.
Industriekultur ist wie ein Trojanisches Pferd – eine schöne Hülle, unter der die Gefahr lauert. Man sieht den Fördertürmen und Brücken aus Stahl oder den Kantinenstühlen aus Kunststoff oft nicht an, wie unter der Oberfläche der Rost wächst oder das Material langsam zerfällt.
Konservierung ist also auch eine Aufgabe für die Ewigkeit?
Prof. Michael Prange: Ja, Konservierung braucht man immer, so wie Beerdigungsinstitute. Egal, ob Gestein, Metall oder Kunststoff – alles, was wir bewahren wollen, soll möglichst unsichtbar, ablösbar und für die Ewigkeit konserviert werden. Wir testen deshalb zum Beispiel Gesteinsschutzmittel und erforschen die Alterungsprozesse von Kunststoff.
Wie transferieren Sie Ihre Erkenntnisse in die Gesellschaft?
Prof. Michael Prange: Mit unseren Methoden kann man Fördertürme ebenso auf Rost untersuchen wie Oldtimer. Wir nutzen zum Beispiel optische Kohärenztomographen, wie man sie aus der Medizin kennt. Vereinfacht gesagt, zeigt uns das Licht, wo das untersuchte Material Schäden hat. Aktuell arbeiten wir daran, eine Art tragbaren Tomographen zu entwickeln, mit dem wir Objekte direkt scannen können. Unsere Erkenntnisse zum Altern von Kunststoff wollen wir auch dazu verwenden, neuartige Kunststoffe zu entwickeln, die sehr schnell und viel besser als bisher verrotten. Vielleicht ein Weg, den Plastikmüllberg abzutragen.
Vita – Prof. Dr. Michael Prange
Als Werkstofftechniker beschäftigt sich Prof. Dr. Michael Prange vor allem mit Rost und Materialschäden. Seine Expertise ist sowohl bei Hinterlassenschaften der Bergbaukultur als auch bei archäologischen Funden der antiken Varusschlacht gefragt. Als stellvertretender Abteilungsleiter Forschung und Forschungsbereichsleiter Materialkunde am Deutschen Bergbau-Museum Bochum – Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen ist er zugleich Professor für Werkstofftechnik an der THGA. Seit September 2019 ist Prange zudem Vizepräsident für Forschung, Entwicklung und Transfer an der THGA.