„Wir sprechen nicht von Ewigkeitslasten, sondern von Ewigkeitsaufgaben. Denn für Aufgaben gibt es Lösungen“ – mit dieser Haltung prägt Prof. Dr. Christian Melchers die Forschungstätigkeiten des FZN seit vielen Jahren.
Nun wurde der 45-jährige Diplom-Geologe zum neuen Leiter des Forschungszentrums Nachbergbau ernannt. Sein erklärtes Ziel ist es, mit dem Wissen aus dem Nachbergbau einen Transformationsprozess zu initiieren, der die Gewinnung und Nutzung von Georessourcen nachhaltiger macht.
Seit 2015 erforscht das FZN interdisziplinär die Herausforderungen und Chancen, die der Bergbau hinterlässt. Dabei standen bisher vor allem die so genannten Ewigkeitsaufgaben im Fokus. Welche Themen werden Sie und ihr Team in den kommenden Jahren zusätzlich beschäftigen?
Prof. Dr. Christian Melchers: Natürlich bleiben die Ewigkeitsaufgaben und deren wissenschaftliche Begleitung in den Revieren an Ruhr, Saar und in Ibbenbüren ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeiten. Hierbei stehen neben den Fragen eines kontrollierten Grubenwasseranstiegsprozesses, auch Fragen zum nachhaltigen Wassermanagement in den ehemaligen Bergbaurevieren sowie deren Monitoring im Fokus der Forschungen. Mit dem erworbenen Wissen sowie der Vielfalt an Geodaten, die wir am FZN zusammentragen und auswerten, lassen sich aber auch weitere wichtige Forschungs- und Themenfelder ableiten. Hierzu zählen die Entwicklung von Monitoringmethoden zu Wasser, an Land und aus der Luft sowie über Satelliten des Europäischen Erdbeobachtungsprogramm COPERNICUS. Hiermit können wir z. B. Veränderungen von Boden- und Wasserhaushalt erfassen. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag, den Klimawandel im Detail besser zu verstehen und die sogenannte „blaugrüne Infrastruktur“ sinnvoll zu gestalten. Aber auch im Zuge des Katastrophen-Managements infolge von extremen Klimaereignissen sind Geodaten von besonderer Bedeutung: Dieses wollen wir künftig am FZN mit dem Forschungsschwerpunkt „Georettungswesen“ erforschen. Zudem untersucht unser Team den der Einsatz von Künstlicher Intelligenz für Fragestellungen im Nachbergbau.
Der Nachbergbau ist eine noch recht junge, teils unbekannte Forschungsdisziplin – welche Herausforderungen aber auch Chancen ergeben sich aus Ihrer Sicht daraus?
Prof. Dr. Christian Melchers: Die Chancen liegen zweifelsfrei in der Gestaltung. Die Nachbergbau-Zeit bietet eine unglaubliche Vielfalt an Aufgaben und Prozessen. An der THGA in Bochum haben wir den Nachbergbau erstmals als eigenständige akademische Disziplin in Lehre und Forschung verstanden. Dieses Alleinstellungsmerkmal hat bis heute Bestand. Die Themen sind national wie international von besonderer Bedeutung und stoßen weltweit auf großes Interesse. Insofern haben wir die Chance, unsere Vorreiterrolle weiter auszubauen. So können wir international eine Vorbildfunktion für den verantwortungsvollen Umgang mit den Hinterlassenschaften des Bergbaus übernehmen. Ebenso haben wir die Chance, der Welt zu zeigen, dass aus dieser Verantwortung sowohl Lösungen als auch Innovationen erwachsen können – nämlich durch Forschung und Entwicklung. Eine bleibende Herausforderung ist die Kommunikation der wissenschaftlichen Ergebnisse. Insbesondere in einem Umfeld, das durch persönliche Betroffenheit häufig emotional geprägt ist. Diesem begegnen wir mit professionellen Strategien zum Wissenstransfer. Dieses gilt gleichermaßen für Betroffene, Interessenverbände und -vertreter, industrielle und wissenschaftliche Partner aber auch für politische und gesellschaftliche Entscheidungsträger. Wir teilen unser Wissen gern – und gestalten so die Transformation aktiv mit! Etwa über Veröffentlichungen, Vorträge, Teilnahmen an Tagungen, Kongressen, aber auch mit öffentlichen Veranstaltungen und Auftritten in Presse, Funk und Fernsehen.
Die Themen werden also immer vielschichtiger und diverser. Ebenso wächst das wissenschaftliche Team und der Nachbergbau selbst etabliert sich immer mehr als anerkannte Disziplin. Wo sehen Sie das FZN in 5 Jahren?
Prof. Dr. Christian Melchers: Ja, der Nachbergbau entwickelt sich stetig weiter. Dieses betrifft Innovationen in den Bereichen Grund- und Grubenwassermanagement ebenso wie die fortschreitende Digitalisierung. Wir nutzen inzwischen immer mehr Robotik, etwa um unzugängliche Grubenräume zu erkunden, oder erforschen mögliche Einsatzfelder für KI und den Bereich Internet of Things (IoT). Ebenso müssen wir unsere Aktivitäten in der Wissensvermittlung stetig ausbauen. Die Erkenntnisse des Forschungszentrums Nachbergbau zahlen zudem auf den dringend gebotenen Transformationsprozess bei der Gewinnung und Nutzung von Georessourcen ein. Wenn wir die Vorgänge nach dem Bergbau ganzheitlich betrachten und verstehen, können wir auch künftige Rohstoffprozesse nachhaltiger gestalten – ganz im Sinne eines „bergbaulichen Lebenszyklus“. Denn es geht um nicht weniger als die Zukunft. Dieses soll strategisch mit dem Transformationszentrum für Georessourcen und -ökologie, kurz TGÖ, am Standort in Herne institutionalisiert werden.
Vita – Prof. Dr. Christian Melchers
Prof. Dr. rer. nat. Christian Melchers ist seit dem 1. September 2022 Leiter des Forschungszentrums Nachbergbau. Schon zuvor gestaltete er die Forschungstätigkeit am FZN maßgeblich mit und gilt als Mitbegründer der noch jungen wissenschaftlichen Disziplin Nachbergbau. Als Professor im weltweit einzigartigen Masterstudiengang „Geoingenieurwesen und Nachbergbau“ gibt der Experte sein Wissen an die Fachkräfte von morgen weiter. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen hierbei in den Bereichen Grubenwasser-Monitoring sowie Fluid- und Gas-Migration. Prof. Dr. Christian Melchers studierte Geologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und promovierte 2009 zum Thema „Methan im südlichen Münsterland“. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender im Kuratorium der Stiftung „Forum Bergbau und Wasser“, Sprecher des AK Grubenwasser der Fachsektion Hydrogeologie e.V. in der DGGV e.V. und Beiratsmitglied des Geopark Ruhr.