„Der Grubenwasseranstieg ist technisch beherrschbar.“ Zu dem Schluss kommen Wissenschaftler des Forschungszentrums Nachbergbau nach drei Jahren intensiver Arbeit.
Systematisch haben sie die Erfahrungen und Daten von Grubenwasseranstiegen in Deutschland und Europa ausgewertet, die bereits ganz oder zum Teil erfolgt sind. Die Erkenntnisse helfen dabei, das Grubenwassermanagement in den Revieren an Ruhr, Saar und in Ibbenbüren nachhaltig zu gestalten. Die Gefahren seien händelbar, sagen Hydrogeologe Sebastian Westermann und Geologe Dr. Bastian Reker: „Die Risiken des Grubenwasseranstiegs, das heißt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schaden eintritt, und sein zu erwartendes Ausmaß, sind in Relation zur möglichen, negativen Auswirkung vergleichsweise gering.“ Ihre Ergebnisse und Empfehlungen haben die Bochumer Forscher nun in einem 130 Seiten starken Abschlussbericht zusammengefasst.
Das Forschungsvorhaben „Evaluierung von Grubenwasseranstiegsprozessen im Ruhrgebiet, Saarland, Ibbenbüren sowie in weiteren deutschen Steinkohlenrevieren und im angrenzenden europäischen Ausland“ wurde von der RAG-Stiftung gefördert.
Das großangelegte Projekt diente dazu, weitere Erkenntnisse zum Grubenwassermanagement zu gewinnen und zu erforschen, wie diese langfristig und umweltverträglich gelingen kann. Hierfür wurde am Forschungszentrum Nachbergbau erstmals eine detaillierte Auswertung von Grubenwasseranstiegen durchgeführt. Die Experten wissen nun genau, wie ein Grubenwasseranstieg verläuft – vom „First flush“ bis zur finalen Phase, in der sich nahezu wieder die Zustände einstellen, wie sie vor Beginn der bergbaulichen Aktivitäten vorzufinden waren. Dabei identifizierten sie unter anderem Faktoren und Prozesse, die den Anstiegsverlauf und die Beschaffenheit des Grubenwassers beeinflussen. Etwa wie durchlässig das Gebirge ist oder wie viel Wasser nachfließt. Die Wissenschaftler untersuchten aber auch technische Maßnahmen und Strategien zu bereits praktizierten Wasserhaltungen in europäischen Steinkohlenrevieren auf ihre Belastbarkeit und Effizienz.
Dass Steinkohlenzechen stillgelegt werden, ist nämlich nichts Neues, erklärt Sebastian Westermann: „In vielen deutschen und europäischen Revieren kam der Abbauprozess schon vor langer Zeit zum Erliegen. Dabei ging der Anstieg des Grubenwassers aber teilweise völlig unbeachtet von statten.“ Dagegen soll der Grubenwasseranstieg in den Steinkohlenrevieren in NRW und im Saarland, den die RAG Aktiengesellschaft derzeit plant, gesteuert und kontrolliert ablaufen. Das aktuelle Konzept sieht vor, die Anzahl der Wasserhaltungsstandorte schrittweise zu reduzieren und das Grubenwasser künftig nur noch in größere Flüsse einzuleiten. Das soll kleinere Gewässer wie z.B. die Emscher entlasten. „Um dafür das weitläufige, untertägige Streckensystem der Bergwerke nutzen zu können, muss z.B. im Ruhr-Revier das Grubenwasser ansteigen – allerdings nur bis zu einem Niveau, das nachhaltig einen verlässlichen Schutz der wichtigen, zu Trinkwasserzwecken genutzten Grundwasserleitern gewährleistet“, sagt Dr. Bastian Reker.
Damit gehört ein nachhaltiges Grubenwassermanagement zu den wichtigsten Aufgaben des Nachbergbaus. Für das Handling in der Zukunft empfiehlt der neue Abschlussbericht, den Grubenwasseranstieg mit einem systematischen Monitoring zu begleiten: „Das nimmt im Idealfall den gesamten bergbaulichen Lebenszyklus in den Blick und ist auf die spezifischen Anforderungen anzupassen“, sagt Prof. Dr. Christian Melchers, wissenschaftlicher Leiter des Forschungszentrums Nachbergbau, der die Studie begleitet hat. Aus der raum- und zeitbezogenen Beobachtung solle sich dann ein geeignetes Frühwarnsystem sowie ein nachhaltiges Grubenwasseranstiegsniveau entwickeln lassen.
Was sind die größten Herausforderungen?
Mögliche Risiken, die mit einem Grubenwasseranstieg einhergehen können, sind Bodenbewegungen. „Die Auftriebskraft des ansteigenden Wassers sowie ein Aufquellen bestimmter Bodenbestandteiler bewirken Hebungen an der Tagesoberfläche“, erklärt Westermann. Diese Hebungen lägen im Bereich von Zentimetern bis wenigen Dezimetern und erfolgten meist flächenhaft und gleichmäßig. „Gebäudeschäden sind daher nur Orten mit einer sehr speziellen Geologie zu erwarten, etwa wenn sie an abbaubedingte Erdstufen gebunden sind.
Neben möglichen Risiken, die mit einem Grubenwasseranstieg einhergehen können, sehen die Experten vom Forschungszentrum Nachbergbau aber auch eine ganze Bandbreite an Chancen: „Die zentrale Herausforderung für die Zukunft ist es, diese Chancen zu erkennen, zu bewerten und Möglichkeiten der Umsetzung zu finden“, prognostizieren Reker und Westermann. Dieses betrifft sowohl die Bergbaugesellschaften selbst als auch die Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit und im Besonderen die Wissenschaft.
”Um den Grubenwasseranstieg wissenschaftlich zu begleiten, brauchen wir ein systematisches Monitoring des gesamten bergbaulichen Lebenszyklus
Prof. Dr. Christian MelchersWissenschaftlicher Leiter FZN
In einem Nachfolgeprojekt, das im Oktober 2019 gestartet ist, gehen die Untersuchungen weiter ins Detail: Im nächsten Schritt wollen die Nachbergbau-Forscher eine „Sensitivitätsanalyse von flutungsbeeinflussenden Faktoren“ durchführen.
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Dr. rer. nat. Bastian Reker
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