Interview mit
Prof. Dr.-Ing. Peter Goerke-Mallet vom Forschungszentrum Nachbergbau erarbeitet mit internationalen Expertinnen und Experten eine weltweite Norm für das Management von Bergbaufolgen. Er wurde außerdem zum Obmann des neuen DIN-Spiegelausschusses gewählt.
Sie arbeiten in einem internationalen Ausschuss an einer gemeinsamen Norm für den Nachbergbau – welche Aufgabe übernimmt dabei das Forschungszentrum?
Prof. Dr. Peter Goerke-Mallet: Das Forschungszentrum Nachbergbau, vertreten durch den Kollegen Sebastian Westermann und mich, unterstützt den Arbeitsausschuss „Nachbergbau“ im Normenausschuss „Bauwesen“ mit fachlichen Informationen zu den vielfältigen Fragestellungen des Alt- und Nachbergbaus. Das FZN verfügt über eine erhebliche Fachkompetenz und deckt nahezu alle Bereiche der nachbergbaulichen Phase ab – vom nachhaltigen Wassermanagement in ehemalgien Bergbauregionen, über das Geomonitoring, den Bereich Materialwissenschaften bis hin zu sozioökonomischen Fragestellungen. Dazu kommen das Wissen und die Erfahrung der Vertreter der Bergbehörden in NRW, im Saarland und in Hessen, der Vertreter der Bergbauunternehmen RAG AG und K + S sowie der beteiligten Ingenieurbüros. So wollen wir möglichst ganzheitlich an die Erarbeitung einer internationalen Norm zu „Managing mining legacies“ herangehen. Das FZN bildet in diesem Gremium den Konzentrationskern und hat neben dem Projektmanager des DIN die Aufgabe des Organisators und Kommunikators übernommen.
Wo liegen weltweit die größten Herausforderungen?
Prof. Dr. Peter Goerke-Mallet: Die größten Herausforderungen beim Management bergbaulicher Hinterlassenschaften liegen in den Ländern, die weder über ein belastbares rechtliches System noch über eine unabhängige und kompetente Bergbehörde verfügen. Infolge dessen sind bei bergbaulichen Aktivitäten Entwicklungen zu beobachten, die zu erheblichen Belastungen für die betroffene Bevölkerung und die Umwelt führen. Der durchgehend hohe Rohstoffbedarf der Industrienationen gerät immer wieder zu einer Ausbeutung von Mensch und Natur. Der Bergbau hinterlässt dabei häufig Probleme, die einer geordneten Perspektive für die jeweilige Region massiv im Wege stehen. Konkret können dies verlassene offene Schächte, belastete Grubenwässer, instabile Halden und Schlammteiche sowie devastierte bergbauliche Areale sein. Nur wenn diese Herausforderungen geordnet und systematisch beseitigt werden, kann eine Basis für neue Entwicklungen in ehemaligen Bergbauregionen geschaffen werden.
Für welche Bereiche im Nachbergbau lassen sich überhaupt Regelungen und gemeinsame Normen finden?
Prof. Dr. Peter Goerke-Mallet: Tatsächlich stellt man bei näherer Betrachtung fest, dass sich eigentlich alle Bereiche des Nachbergbaus dazu eignen, Standards für eine geordnete Bearbeitung zu entwickeln. Am Anfang steht dabei vor allem die umfassende Sammlung von Daten, die die konkrete (nach-)bergbauliche Situation beschreiben. Diese Daten sollten möglichst einen 4D-Bezug, sprich einen Raum- und Zeit-Bezug, aufweisen. Je umfassender der verfügbare Bestand ist, umso besser lassen sich die Entwicklungen und Bedingungen des jeweiligen Bergbaustandortes nachvollziehen und beschreiben. Im Hinblick auf untertägige bergbauliche Aktivitäten ist in diesem Zusammenhang das bergmännisch-markscheiderische Risswerk, das während der Betriebsphase angefertigt wurde, von erheblicher Bedeutung. Der Datenbestand bildet gewissermaßen den Schlüssel zum Verständnis der bergbaulichen Aktivitäten und bildet die unabdingbare Basis für ein belastbares Risiko-Chancen-Management. Dazu gehört vor allem auch ein standardisiertes Geomonitoring, also die fortlaufende Überwachung aller Prozesse, die am ehemaligen Bergbaustandort nach wie vor ablaufen.
Wie gehen Sie in dem Gremium gemeinschaftlich vor?
Prof. Dr. Peter Goerke-Mallet: Die Frage zielt auf einen sehr spannenden Vorgang ab, der die Mitwirkung an der Erstellung eines Standards – einer Norm – so ungeheuer interessant macht. Es kommen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Ländern der Welt zusammen und arbeiten gemeinsam an einer Richtschnur, die unzähligen Entscheidungsträgern rund um den Globus bei ihrer täglichen Arbeit helfen soll. Dabei müssen wir u. a Rücksicht nehmen auf unterschiedliche Gegebenheiten in den einzelnen Ländern oder auf sprachliche Barrieren. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer verbindet aber das Interesse an der Sache und es ist faszinierend zu beobachten, mit welchem Engagement gearbeitet wird. Für mich als Obmann der deutschen Arbeitsgruppe und deren Vertreter im internationalen Gremium ist die ständige Kommunikation und Schaffung von Transparenz eine besondere Aufgabe.
Was können andere Länder von Deutschland lernen?
Prof. Dr. Peter Goerke-Mallet: In Deutschland haben wir in jeder Hinsicht gute Bedingungen: ein umfassendes Bergrecht, kompetente Berg- und Umweltbehörden, höchstrichterlich geregelte unternehmerische Verantwortungen, die von den Bergbauunternehmen auch wahrgenommen werden, mündige Bürger und wirtschaftlich geordnete Verhältnisse. Vor diesem Hintergrund ist es angebracht, sensibel zu sein und diplomatisch. Auf der anderen Seite sind die deutschen Erfahrungen im technischen und organisatorischen Umgang mit dem Nachbergbau für den internationalen Raum von erheblichem Wert. Diese Expertise stellen wir dem Normungsgremium zur Verfügung. Der Lernprozess ist vielschichtig und er bezieht sich natürlich auch auf unsere Strategie der umfassenderen Ausrichtung der Aktivitäten des FZN auf deutscher und europäischer Ebene. Der integrative Ansatz des FZN erlaubt es uns, ganzheitliche Lösungen für bestehende und zukünftige Herausforderungen des Nachbergbaus anbieten zu können. Ich habe den Eindruck, dass uns ein erheblicher Respekt entgegengebracht wird, dem wir durch unser Engagement gerecht werden wollen.