FZN untersucht alten Gewässer-Tunnel in Hattingen mit modernen Methoden

 

Knietiefes Wasser, verwinkelte Gänge, ein leicht modriger Geruch und absolute Dunkelheit. An der Decke tummeln sich die Fledermäuse. Dieser verborgene Ort befindet sich mitten in Hattingen. Besser gesagt: unter Hattingen.

Nahe des LWL-Museums Henrichshütte verschwindet der bis hierhin frei fließende Paasbach plötzlich unter Tage. In einem breiten Tunnel bahnt er sich seit teils mehr als 140 Jahren seinen Weg durch den Untergrund. Besuch bekam er bisher nur selten – doch das Forschungszentrum Nachbergbau hat ihn jetzt genauer erforscht. Das wissenschaftliche Team unterstützte im Sommer 2023 das Tiefbauamt Hattingen bei besonderen Kontrollarbeiten: Dabei ging es darum, die rund 600 Meter lange Strecke bis ins Detail zu vermessen und mögliche Schäden zu identifizieren. Die gewonnenen Daten geben Aufschluss über den Zustand und die Standsicherheit. „Gemeinsam mit dem Tiefbauamt haben wir einen Plan entwickelt, wie wir unser Wissen über Geologie, Bergbau und zum modernen Geomonitoring – also der langfristigen Überwachung des Untergrunds – hier am besten anwenden können“, erklärt Diplom-Vermessungsingenieur Benjamin Haske vom FZN.

Der Bach mündet bei Hattingen in die Ruhr. Zuvor durchquert er auch Gebiete, in denen früher Steinkohle abgebaut wurde, zum Beispiel die Strukturen der stillgelegten Zeche Alte Haase. Zusätzlich wird der Paasbach durch den Zustrom aus historischen Erbstollen beeinflusst. „In seiner Geschichte hat der kleine Bachlauf daher schon viele Umleitungen und Umbauten erlebt“, erklärt Melanie Jagusch-Klich vom Tiefbauamt Hattingen. „Tatsächlich mussten wir feststellen, dass unsere Karten den Verlauf nur grob verzeichnen. Eine genaue Dokumentation liegt uns nicht vor. Es fehlen die Details.“ Die sind aber wichtig, um eine genaue Schadensklassifikation vornehmen zu können.

Darum kam Hightech aus Bochum zum Einsatz: Das Team vom FZN kombinierte klassische Messmethoden mit modernen Laserscans im Gewässer-Tunnel, um jeden Winkel mit Spezialsensoren zu erfassen. „Dabei haben wir manuell hunderte Einzel-Punkte gemessen, mit denen wir das hochgenaue 3D-Modell des Laserscans in das korrekte Koordinatensystem einpassen konnten“, erklärt Benjamin Haske. „Die besonderen Bedingungen im Tunnel wie Dunkelheit, Feuchtigkeit und beengte Verhältnisse haben es uns und den Messgeräten dabei allerdings nicht leicht gemacht.“ Daher kamen neben der innovativen Laserscantechnik auch althergebrachte Methoden aus dem Markscheidewesen, also der untertägigen Vermessung, zum Einsatz. „Aus all diesen Daten formen wir ein Gesamtbild, das auch Risse im Beton oder die Beschaffenheit der verschiedenen Wassereinläufe berücksichtigt“, ergänzt sein Kollege Dr. Bodo Bernsdorf.

Im Ergebnis konnte erstmalig der genaue Verlauf des Gewässertunnels dokumentiert und mit modernen, topographischen Karten und einem Drohnenluftbild an der Tagesoberfläche zusammengebracht werden. Hierbei wurden erstmals auch die teils geringen Abstände der Tunneldecke zur Straßen und Gebäuden erfasst. Das entwickelte interaktive 3D-Modell ermöglicht den Experten des Tiefbauamtes Hattingen, Materialstrukturen und Schadstellen im Untergrund genau zu verorten. „Die Ergebnisse stellen somit einen wichtigen Baustein für das städtische Risikomanagement dar“, sagt Melanie Jagusch-Klich vom Tiefbauamt. „Das umfassende Geomonitoring vereinfacht künftige Sanierungsarbeiten und hilft uns dabei, die Sicherheit der über- und untertätigen Infrastrukturen gewährleisten zu können.“ So bleibt dieser verborgene Ort im Hattinger Untergrund auch für nachfolgende Generationen erhalten – und für künftige Fledermauspopulationen.

Wissenschaft nach Maß: Benjamin Haske hat „Geodäsie und Geoinformation“ an der Universität der Bundeswehr in München studiert und anschließend noch den Master „Geoingenieurwesen und Nachbergbau“ an der THGA abgeschlossen. Am FZN kümmert er sich um das Geodatenmanagement und forscht zu den Themen Geodatenfusion und -analyse, altbergbauliches Risikomanagement sowie dem Einsatz von Drohnen für das Geomonitoring.

Video

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